Phoenix Power im Herbst – Latin Fever und „Zukunftsmusik“

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Vorsicht, Latin Fever – am Sonntag-Nachmittag in Bürgerhaus in Urbar! Die Phoenix Foundation, das Jugendjazzorchester Rheinland-Pfalz hatte zum Abschlusskonzert der Herbst Arbeitsphase geladen. Besonderer Clou: Latin Spezialist Michael Philip Mossman aus den USA konnte als Gast gewonnen werden und wurde eigens für die Arbeitsphase eingeflogen. Jedoch nicht um das Fieber zu senken, sondern um zusammen mit der Phoenix Foundation dem Publikum weiter einzuheizen. Vorsicht Ansteckungsgefahr!

Aber der Reihe nach: Vor dem Konzert steht die Arbeitsphase, an der das neue Programm einstudiert wird. Mr. Mossman weiß genau, woran gearbeitet werden muss, damit der Latin-Virus wirkt die Musik wirklich „ansteckend“ gespielt wird. Denn der Komponist und Arrangeur ist ein engagierter Bandleader. Er hat als Leiter der Jazzabteilung am Queens College New York 20jährige jazzpädagogische Erfahrung und kennt seine Arrangements tongenau. So kann er in den Proben den Phoenix Musikern genau sagen, wo es „lang geht“. Am Ende der Probetage sind genügend Arrangements bereit zur Aufführung.


Proben mit Mr. Mossman: beste Laune aber kein falscher Ton geht durch!

 

Am Konzertbeginn begrüßte Thomas Messingschlager im Namen der Stommel-Stiftung aus Urbar, die zum Konzert eingeladen hatte, die Gäste, unter Ihnen als Ehrengäste Markus Graf und Ulrich Adomeit vom Präsidium des Landesmusikrates. Der Stiftungspräsident nutzte die aktuelle politische Situation nach der Wahl des neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump zu einem Exkurs über den Jazz als Musik des Widerstands.

Phoenix Foundation mit Michael Philipp Mossman

 

Den Beginn des Konzerts übernahm die bestens aufgelegte Nachwuchsformation der Phoenix Foundation. Die Leitung lag in den bewährten Händen des Dresdner Posaunisten und Arrangeur und Michael Winkler. Bei den Arbeitsphasen wird mit zwei Besetzungen geprobt um den Nachwuchs zu sichern bzw. den „Jazz-Frischlingen“ eine umfangreiche Möglichkeit der Weiterbildung zu geben.

Die junge Truppe zeigte selbstbewusst, wohin der musikalische Weg führt, sowohl was das Zusammenspiel der Band als auch die Solobeiträge angeht: Henry Schappert extatisch am Altsaxofon bei Gordon Goodwins Funknummer „Absoludicrous“ oder David Eberle mit bluesig-melodischen Sololinien an der Gitarre bei „Out of the Doghouse“ von Eric Morales. Die humorvolle Moderation von Michael Winkler – „Wir haben beim nächsten Stück zwei junge Solisten, ich verrate Ihnen auch die Namen, aber erst müssen einmal gut spielen“ – sorgte für ausgelassene Stimmung beim Publikum. Den letzten Titel des Sets der Phoenix Nachwuchs-Truppe hatte Michael Winkler kurz vor der Arbeitsphase eigens als Überraschung für die Band geschrieben und wurde dankbar angenommen. Der Titel des Stückes fasste die allgemeine Verfassung von Musikern und Publikum gut zusammen: „Fünf Viertel Glück!“. Die 5/4tel Taktart des Stückes ließ sich auf den Zustand des Publikums übertragen: Der war – zumindest ließ der Beifall es vermuten – mindestens Fünf-Viertel-glücklich.


Proben und Konzert der Phoenix Nachwuchs-Gruppe mit Michael Winkler

Nach der Pause eröffnete die Phoenix Foundation unter der Gesamtleitung von Frank Reichert, der Idee hatte, Michael Philip Mossman zum zweiten Mal nach 2007 zu einer Arbeitsphase einzuladen. Die Band war hellauf begeistert, denn seine Arrangements sind den Musikerinnen und Musikern seit längerem aus dem Phoenix Bandbook bekannt. Das eigens für die Bolivienreise von Mossman arrangierte „Bolivian Fantasy“ kam bei der Band so gut an, das klar war, es wäre super, wenn er mal mit der Band arbeiten würde.

Die Phoenix Foundation begrüßte Mr. Mossman musikalisch mit Gordon Goodwins „Count Bubba“ einem Swing, der allen Sections Gelegenheit gab sich musikalisch vorzustellen.

Nach diesem jazzigen Farbtupfer war „Showtime“ mit Mr. Mossman angesagt. Ein Blick in seinen Terminkalender zeigt eindrucksvoll das musikalische Wirken von Michael Philipp Mossman, dessen Musik sich offenbar keiner entziehen kann: Vor zwei Wochen spielte er mit der WDR Big Band auf dem Leverkusener Jazzfestival seine Musik, nächstes Jahr steht ein Projekt mit der hr-Bigband an und mit der NDR Bigband arbeit er ist seit Jahren auch immer wieder an Projekten, und das war nur der deutsche Teil. Zwischen seinen musikalischen Aktivitäten rund um den Globus ist er Direktor für Jazz am Queens College in New York. Von dort ist er zur Phoenix Foundation aufgebrochen um hier seine neuesten Arrangements mit der Band zu erarbeiten.

Das Konzert bot Gelegenheit für eine kleine Lernstunde in Sachen Latin Jazz: Den Anfang bildete Chachanita, ein klassischer Cha-Cha mit kubanischem Flair. Als nächstes fusionierten Tango Argentino und Bossanova perfekt zu Tanganova mit lässig-geschmackvollem Pianosolo von Felix Hastrich über den Bossa Teil des Stückes. Bei Oklupaka (ein Anagram von Akapulko) von Duke Ellington erklärt Mossman mit Hilfe von Drummer Jonas Kaltenbach den Unterschied zwischen Afro-Cuban und Latin-Rhythmus. Herausragende Solisten, wie Alexander Scott am Altsaxofon, Benedikt Jäckle am Tenor zeigten am Abend ihr Können. Auch Michael Mossman griff bei Kenny Durhams „Una mas“ zur Trompete und zeigte eindrucksvoll seine instrumentale Herkunft.

Klar dass noch einen solchen Konzert die Musiker nicht ohne eine Zugabe von der Bühne gelassen werden: „Sir Duke“, Stevie Wonders Klassiker und Verneigung vor Duke Ellington, ebenfalls im Arrangement von Michael Mossman, das er im Übrigen für eine Show mit Stevie Wonder für diesen geschrieben hatte.

„Zukunftsmusik“

Das zweite Konzert im Rahmen der Herbstarbeitsphase fand eine Woche später am 27.11.16 im Frankfurter Hof in Mainz als Gemeinschaftskonzert mit dem Bundesjazzorchester statt. Titel: Zukunftsmusik

In seiner Anmoderation wies Frank Reichert auf einige Zusammenhänge hin:

Dominik Seidler, der Projektleiter des Bundesjazzorchester hat den Jugendjazzorchestern der Bundesländer, die ja einen wichtigen Musiker-Pool für das Bujazzo bilden, das Angebot für ein Gemeinschaftskonzert gemacht und bei der Phoenix Foundation damit offene Türen eingerannt. Dies aus zwei Gründen:

Erstens passt es zur Band-Philosophie: die Phoenix Foundation bietet ebenfalls seit Jahren den Schul-Big-Bands hier im Land Gemeinschaftskonzerte an. Aus diesen Bigbands kommen fast alle Teilnehmer der Phoenix Foundation. Regelmäßig gibt es Gemeinschaftskonzerte, wie z.B. mit der Bigband des Willigis Gymnasiums aus Mainz, mit der Bigband DeLuxe aus Bad Bergzabern, mit „Coming up“, der Bigband des Wilhelm-Hofmann-Gymnasiums St. Goarshausen oder mit der Bigband des Kusanus Gymnasiums in Bernkastel-Kues.

Zweitens ist es zurzeit so, dass in den letzten Jahren ein besonders hoher Anteil an Musikern der Phoenix Foundation den Weg ins BuJazzO gefunden haben. Eine erfreuliche Entwicklung und ein Zeichen, dass die Arbeit der Phoenix Foundation qualitative Spitzen-Wirkung zeigt – neben dem Wirkungsbereich in der Breite, denn viele Phoenix Musiker sind in ihren Heimatgemeinden „jazzmissionarisch“ unterwegs.

 

Aktuell spielen aus Phoenix-Reihen vier Musiker im Bundesjazzorchester. Drei davon wirkten am Abend mit und bildeten den ersten solistischen Schwerpunkt des Programms. Bei „Brush taps“ („Schlagzeugbesen“) einem Titel von Oliver Nelson, der Drummer Jonas Kaltenbach solistisch herausstellte stieg Marvin Frey als erster „BuJazzO-Aufsteiger“ aus Phoenix Reihen mit einem lyrisch-geschmackvollen Solo ein. Bei „Moments Notice“ von Coltrane zeigte Daniel Buch, dass man sehr wohl am Bariton Saxofon gestochen scharfe und dennoch logisch fließende Hardboplinien spielen kann. Schließlich legte Marko Mebus, derzeit Student an der Musikhochschule Mainz, bei „Evil ways“ im Arrangement von Michael Mossman ein virtuoses High Note Solo hin.

Der musikalische Fokus der Phoenix Foundation lag an diesem Abend auf Musik von Michael Philipp Mossman. Ein Titel, den er exklusiv für die Bolivienreise der Phoenix Foundation geschrieben hatte, wurde im Frankfurter Hof mit Benedikt Jäckle am Tenorsaxofon nochmals aufgeführt. Es folgten „Evil ways“ und Tanganova.

Phoenix Foundation, Leitung Frank Reichert

Daniel Buch, bs

Marko Mebus, tp

Marvin Frey, tp

Den zweiten Teil des Konzertes bestritt das Bundesjazzorchester unter der Leitung von Niels Klein mit seinem Zukunftsmusik-Programm, zusammengestellt aus Titeln eines Kompositionswettbewerbs junger deutscher Nachwuchs-Komponisten, die in den kommenden Jahren die deutsche Jazzszene prägen werden. Das Eingangsstück „On the Edge“ des Trompeters Roul Vychodil war spannungsgeladen, mit filmmusik-artigen dissonanten Einwürfen congenial verwoben mit dem Altsaxofon Solo von Daniel Roncaris.

So ging es programm-musikartig weiter im Set des Bujazzo mit Titeln von Lars Seniuk (Perception of Reality), das sich nahezu selbst bis zum Ende tonal zersetzte und weitere Extreme mit Peter Klohmann, ebenfalls ehemaliges Phoenix Mitglied, der mit „Bouncing Bs“ seinen Humor mit Hang zum Absurden den „Blues in Bb“ – das Session-Klischee schlechthin – als groteske Bluesparodie inszenierte.

Mit der Vocal Group, die seinerzeit Peter Herbolzheimer, Gründer und langjähriger Leiter des BuJazzO einführte, wurden die Klänge zum Ende hin entspannter und harmonischer und rundeten den Abend mit Musik der Zukunft ab.

Bundesjazzorchester, Leitung Niel Klein

Bundesjazzorchester mit Vokal Ensemble